Umbenennung des Albert-Schäfer-Wegs in Harburg: SPD fordert öffentliche Diskussion

Umbenennung des Albert-Schäfer-Wegs in Harburg: SPD fordert öffentliche Diskussion

„Um es vorweg zu nehmen: die Harburger SPD-Fraktion bleibt bei ihrer Forderung zur Umbenennung des Albert-Schäfer-Wegs. Ebenso wie die GRÜNEN und DIE LINKE in der Bezirksversammlung“, sagt hierzu der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank Richter und ergänzt: „Wir wollen aber auch, dass die betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner wissen, warum das geschehen soll. Es verlangt ihnen ja auch etwas ab. Es müssen Adressen geändert werden. In Ausweispapieren, bei Banken und Versicherungen und mehr. Das ist wie ein Umzug, allerdings ohne Gepäck und Möbel. Da möchten wir um Verständnis werben und im besten Fall um überzeugte Zustimmung.“
Doch wer war eigentlich Albert Schäfer? Damit hat sich der Historiker Dr. Sebastian Justke in seiner Schäfer-Biographie „Ein ehrbarer Kaufmann? Albert Schäfer, sein Unternehmen und die Stadt Hamburg 1933–1956“ auseinandergesetzt. Und eben diesen Historiker soll die Bezirksverwaltung für eine öffentliche Informationsveranstaltung für die Anwohnerinnen und Anwohner aber auch weitere interessierte Harburger:innen einladen.
Seine Haltung war ambivalent: Einerseits betonte er in Aufsichtsratssitzungen, er glaube an den „Endsieg“. Andererseits lässt sich nicht belegen, dass er überzeugter Nationalsozialist war. Das macht ihn aber nicht zum Gegner. Er war Teil der Funktionselite und profitierte enorm vom Krieg. Man musste kein überzeugter Nationalsozialist sein, um das NS-Regime mitzugestalten, äußerte Justke in einem Interview.
Am 1. April 1933 wurde Schäfer Vorstandsvorsitzender der Phoenix-Gummiwerke AG in Hamburg-Harburg, die dort das zweitgrößte deutsche Gummi-Werk unterhielten. Während seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender war er nach Ansicht der Kommission, die im Auftrag des Hamburger Senats seit 2020 belastete Straßennamen untersuchte, „verantwortlich für den Zwangsarbeitereinsatz bei den Phoenix-Werken. Mit den Zweigwerken in Riga und Prag, in denen jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eingesetzt wurden, beteiligte sich das Unternehmen aktiv an der nationalsozialistischen Ausbeutungspolitik in den besetzen Gebieten in Osteuropa. Schäfer betrieb die ‚Arisierung‘ der gemeinsam mit seinem jüdischen Geschäftspartner Max Goldschmidt gegründeten Firma Metallgummi GmbH und leistete nach 1945 erst Wiedergutmachung, als Goldschmidt diese erstritt.“
Im April 1945 wurde in den Phoenix-Werken ein Lazarett eingerichtet, welches immer wieder von Granaten der britischen Artillerie getroffen wurde. Um diesen Beschuss zu beenden, beschlossen Schäfer und zwei weitere auf eigene Faust Verhandlungen zu führen. Während seine Begleiter als Militärangehörige lediglich über die Schonung des Lazaretts verhandelten, brachte Schäfer auch den Wunsch nach Einstellung der Kampfhandlungen zum Ausdruck. Am nächsten Tag wurde Schäfer mit einem Brief aus dem britischen Hauptquartier in Lüneburg zurück zu General Wolz geschickt, der am 2. Mai der kampflosen Übergabe Hamburgs an die Alliierten zustimmte.
Dies führte zu der noch heute verbreiteten Meinung, dass Schäfer so etwas wie der „Retter Hamburgs“ sei.
Von Februar bis Oktober 1946 war Schäfer Mitglied der von der britischen Militärregierung Ernannten Hamburgischen Bürgerschaft, zunächst parteilos, dann ab Juni 1946 als Mitglied der CDU. Nachdem der von Bürgermeister Rudolf Petersen mit Genehmigung der britischen Militärregierung zum Präses ernannte Johann Wirtz aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war, wurde Schäfer am 9. Dezember 1946 zum Präses der Handelskammer Hamburg berufen und blieb in dieser Funktion bis zum 28. Februar 1956.
Als Generaldirektor der Phoenix hatte er eine hervorgehobene Stellung. Das war auch deshalb relevant, weil er problemlos auf Rüstungsproduktion umstellen konnte, was er ab 1934 tat. Produziert wurden neben Reifen und Stiefeln auch Metallgummiprodukte für die Produktion von Schwingungsaggregaten für Flugzeugmotoren und von Panzergleiskettenpolstern.
In der NS-Zeit umfassten die Phoenix-Gummiwerke nicht nur das Werk in Harburg, sondern ein Netz von Firmen, das sich im Zuge der Eroberungen der Wehrmacht auch auf die besetzten Gebiete im West- und Osteuropa erstreckte. Direkte Beteiligungen der Phoenix gab es an Werken in Riga und Prag. In all diesen Niederlassungen arbeiteten ZwangsarbeiterInnen.
So wichtig das Unternehmen im NS-Staat für die Rüstung gewesen war, so zentral war es nach 1945 für den Wiederaufbau, etwa bei der Kohleproduktion im Ruhrgebiet: Sie produzierte die unverzichtbaren Gummitransportbänder.
Schäfer nutzte seine Macht auch bei Entnazifizierungsverfahren. Als die britische Militärregierung die NSDAP-Mitglieder in der Phoenix entließ, drohte Schäfer: Wenn seine MitarbeiterInnen nicht wieder eingestellt würden, sei die Kohleproduktion gefährdet. Prompt wurden die Leute zurückgeholt. Auch bei seinem eigenen Entnazifizierungsverfahren arbeitete Schäfer mit Drohungen: Wenn das langwierige Verfahren – es gab Zweifel wegen seiner Kooperation mit dem NS-Regime – nicht bald beendet werde, trete er von allen Ämtern zurück, auch als Handelskammer-Präses. Wieder funktionierte es. 1947 wurde er als „entlastet“ eingestuft. (in weiten Teilen aus: https://taz.de/Historiker-ueber-Handelskammer-Praeses/!5935965/)

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